Interview mit Peter Hofmann

Pfarrer Peter Hofmann und sein Team wollen im Kanton Glarus ein sogenanntes Clubhaus gründen. Dort sollen psychisch erkrankte Menschen wieder Sinn, Gemeinschaft und Arbeit finden.

Swantje Kammerecker sprach mit Peter Hofmann

Wenn er im Sommer als Pfarrer in Schwanden aufhört, möchte Peter Hofmann ein neues Angebot für Menschen mit psychischen Problemen aufbauen. Als Vorbild soll das Münchner Clubhaus «Schwalbennest» dienen, in dem Hofmann während seines Sabbaticals im Frühling 2024 ein Praktikum gemacht hat.

Kürzlich hat Hofmann sein Projekt einem Kreis von Interessierten aus der Politik und der reformierten Kantonalkirche vorgestellt. Darunter waren auch Regierungsrat Markus Heer und die beiden Landrätinnen Sabine Steinmann und Andrea Trummer. «Das Echo war sehr positiv», sagt Hofmann. Gefunden werden muss neben Geld auch ein Ort für das Clubhaus.  

Was ist der Kerngedanke?

Die Leute haben eine Anlaufstelle, man trifft sich und unterstützt sich gegenseitig, um wieder ins Leben zu kommen. Man erfährt: Ich bin gewünscht oder erwünscht und werde gebraucht und kann immer wieder zurückkommen. Der Hintergrund ist: Viele Leute waren in der Klinik - oder kommen wieder raus -, haben vielleicht keine Arbeit oder wenig Freunde und die Kontakte zum Familienkreis sind wegen der Erkrankung vielleicht auch nicht mehr, was sie mal waren. Und im Spital haben sie nur gelernt, dass sie nicht gebraucht werden. Umso mehr brauchen sie die Möglichkeit zu erkennen, wirklich vermisst zu werden, gebraucht. Ein nächster möglicher Schritt wäre und ist dann Integration in den Arbeitsmarkt.

Was hast du aus deiner Zeit im «Schwalbennest», dem Clubhaus in München, mitgenommen?

Meine Zeit im Schwalbennest war eine Offenbarung! Ich habe dort eine Gemeinschaft erlebt, die auf Respekt, Vertrauen und gegenseitiger Unterstützung basiert. Menschen mit psychischen Herausforderungen werden nicht als Patienten abgestempelt, sondern als Mitglieder wertgeschätzt. Besonders beeindruckt hat mich, dass ich nichts, was ich an Arbeiten zu erledigen hatte, allein tat. Gemeinsam kochen kannte ich, einkaufen auch. Aber Statistiken erfassen und sogar Artikel schreiben? Das war für mich ein totales Novum. Ich kann mich nicht erinnern, in den letzten 30 Jahren je so tief empfunden Gemeinschaft erlebt zu haben. Das Schwalbennest ist im deutschsprachigen Gebiet ein Leuchtturmprojekt. Es beweist, wie Menschen in schwierigen Lebenssituationen durch Eigenverantwortung und Gemeinschaft wieder Fuss fassen können. Solches auch bei uns zu haben, das wäre ein Gewinn.

Gibt es hierzulande nicht genug Einrichtungen?

Gibt es wahrscheinlich, aber da gilt in der Regel (und das ist natürlich für eine gewisse Zeit auch nicht nichts): Kostenübernahme für ein oder zwei Jahre. Läuft das aus, gibt es eine neue Massnahme mit wieder Kennenlernen, Einarbeiten etc. Blöd gesagt, ein ewiger Kreislauf. Bis es dann irgendwann vorbei ist oder wieder zu einer neuen begrenzten Massnahme kommt. Der Vorteil des Clubhauses ist nun: Es ist eine lebenslange Möglichkeit, dabei zu sein, dabeizubleiben, dazu zu gehören. Alle anderen Massnahmen sind befristet und da braucht es Kostenträger mit Abklärungen. Im Clubhaus dagegen kann man einfach hingehen und sagen: Ich möchte bei euch mitmachen. Teilstationäre Tageskliniken dagegen sind zeitlich befristet und – wegen zahlreicher bezahlter Arbeitskräfte – auch teuer. Alles muss dort bezahlt sein: Die Ärzte, die Pflege, Köche, Leute für Administration, Raumpflege etc.  

Weshalb scheint dir das Glarnerland für die Umsetzung geeignet?

Wenn man im Kanton Glarus Verantwortung übernehmen und etwas ausprobieren will, ist dies auf allen Ebenen «relativ ring» möglich. Hier sind die Wege zu Leuten und Instanzen kurz. Es wird auf Augenhöhe gemindert und gemehrt. Und keine Seltenheit sind sehr pragmatische Lösungen für manche Herausforderung der Zeit. Das alles ist ganz mein Stil. Und deshalb bleibe ich nach dem Ausstieg aus dem Pfarrberuf noch so gerne im Glarnerland. Es ist mir eine Ehre! Bezogen auf das Projekt frage ich zurück: Ist nicht gerade das Glarnerland der ideale Nährboden für eine schweizweite Clubhaus-Initiative? Ich weiss, das tönt visionär und vielleicht unbescheiden. Aber wenn nicht hier zuerst, wo dann in der Schweiz?  

Was sind die nächsten Schritte?

Es braucht eine engagierte Gruppe von sechs bis zehn Personen, die das vorantreiben wollen. Sodann braucht es hinsichtlich einer Regelfinanzierung Fördermittel aus Spenden von Einzelpersonen – gerne aus Nachlässen –, Zuwendungen verschiedener Stiftungen, von Service-Clubs und Unternehmen. Sollte das Projekt bald und erfolgreich den Betrieb aufnehmen, wären Gemeinden und Kantone dran.

Als erste Geschäftsstelle dient uns vorerst eine zentral beim Bahnhof Schwanden gelegene Ladenfläche (Bahnhofstrasse 35). Anstehen tut die Konstituierung des Fördervereins „Projekt Erstes Clubhaus Schweiz“. Eine möglichst breite Vernetzung in unserem Kanton bei Interessensvertreter*innen, der Bevölkerung, dann aber auch und überregional in den Nachbarkantonen ist mir wichtig.  

Welches könnten Name und Ort eines Clubhauses sein?

Die Lage des Clubhauses ist entscheidend. Eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel ist wichtig, damit alle Mitglieder den Weg ins Clubhaus leicht und kostengünstig finden. Die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten und einer Bank erleichtert den Alltag und ermöglicht den Mitgliedern, selbstständig Erledigungen zu machen. Natürlich spielen auch finanzielle Aspekte eine Rolle. Fördermittel für den Kauf, Umbau oder die Einrichtung des Gebäudes wären eine große Hilfe. Der Interviewte atmet tief ein und lächelt: Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam einen solchen Ort zu gegebener Zeit zusammen finden. Einen Ort, der Menschen Hoffnung schenkt und ihnen hilft, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen. Ein Ort, der zum Symbol für ein neues Miteinander wird.

Die Clubhouse-Bewegung 1948 gründeten ehemalige Psychiatrie-Patienten in New York eine Gruppe, die sich „We Are Not Alone“ (WANA) nannte, also "Wir sind nicht allein". Ihr Ziel war es, sich gegenseitig zu helfen und sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Dem Clubhouse-Modell haben sich gegen 400 Einrichtungen in über 30 Ländern angeschlossen. Jeder psychisch erkrankte Mensch kann Mitglied werden. Eine Mitgliedschaft ist freiwillig, kostenlos und zeitlich unbefristet.